
Was Bücher immer noch können: weder die Praxis des Lesens noch das Printmedium sind so gefährdet, wie manch düstere Prophezeiung behauptet. Was der Buchhandel aus einer neuen Studie mitnimmt, zeigt sich bei einer genaueren Analyse des Abschlussberichtes.
Die Untersuchung, die vom Institut für Retailing & Data Science der Wiener Wirtschaftsuni im Auftrag des Buchhandels (HVB) durchgeführt wurde, hatte fast 800 junge Menschen zwischen 14 und 30 befragt. Gegenstand waren Lesegewohnheiten und Vorlieben in Bezug auf Buchhandlungen. Manche Ergebnisse der Onlinefragbögen fielen aus wie erwartet – aber bei durchaus nicht alle.
„Was uns bei der Auswertung der Studie besonders überrascht hat, ist die Tatsache, dass Digital Natives gar nicht so digital sind, wie gedacht“, sagt Cordula Cerha, die mit der Studienleitung beauftragt war. „Gedruckte Büchern haben auch für die junge Generation einen hohen Stellenwert.“

Zwischen Instagrammability und Nostalgie
Aus der Befragung geht hervor, dass die größte Konkurrenz für das Lesen nicht etwa Twitter und Instagram sind – sondern der Wunsch, Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen. Digital Natives leben in einer Welt der konkurrierenden Werte: Viele sind hin- und hergerissen zwischen neuen Medien und dem Wunsch nach Onlinepräsenz auf der einen Seite, und der Rückbesinnung auf die Vorteile analoger Medien auf der anderen. Der Impuls zum Kauf von Büchern entspringt laut der Studie zu großen Teilen aus Nostalgie für traditionelle Werte und dem Wunsch nach „Ownership“.
Die größte Konkurrenz für das Lesen ist nicht etwa Twitter und Instagram – sondern der Wunsch, Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen.
Bücher stehen demnach für eine Welt, die der digitalen Realität, in der junge Menschen leben, gegenübersteht und einen Ausgleich schafft. Es ist daher wenig überraschend, dass mehr als die Hälfte der Befragten gedruckte Formate bevorzugen. E-Book und Hörbuch stellen auch bei den Digital Natives keine nennenswerte Konkurrenz für das Buch dar. Trotz des höheren Preises wird grundsätzlich das gebundene Buch gegenüber dem Taschenbuchformat bevorzugt.
Vielleser versus Wenigleser
„Es ist wichtig sich vor Augen zu halten, dass beim Thema Bücherkauf nicht alle jungen Menschen in einen Topf geworfen werden können“, meint Cerha. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass Interessengebiete und Kaufverhalten je nach Lesegewohnheit stark variieren.“ Um diese Unterschiede deutlich zu machen, wurden die Teilnehmenden in „Vielleser*innen“ „Wenigleser*innen“ unterteilt. Je mehr das Lesen eine zum Alltag gehörende Gewohnheit sei, erklärt Cerha, desto mehr liege der Fokus beim Bücherkauf auf dem Kern der Sache: dem Buch selbst. „Wenig-Leser*innen legen sehr viel mehr Wert auf Zusatzangebote in der Buchhandlung, etwa interaktive Touchscreens und Augmented Reality-Lösungen.“ Nahezu deckungsgleich sind allerdings die bevorzugten Themenbereiche der Viel- und Wenigleser. Die Kategorie Spaß, Spannung und Unterhaltung hat für etwa 36 Prozent der Personen aus beiden Kategorien die höchste Priorität.
Anscheinend sichert der Besitz von Büchern das Ownership über den Inhalt nachhaltiger.
Auch das Geschlecht spielt bei der Verteilung eine große Rolle. Frauen lesen im Durchschnitt deutlich mehr als Männer: Unter den weiblichen Befragten befanden sich doppelt so viele Viellesende wie unter den männlichen Studienteilnehmenden.
Buchhandlungen als Ort des Rückzuges
„Ruhe“, „Lesen“, „Auswahl“, „Geruch“ und „Stöbern“ sind unter den meistgenannten Begriffen, die assoziativ mit Buchhandlungen verknüpft werden. Neben dem Buch selbst, das wenig überraschend für die meisten die erste Assoziation darstellt, werden also vor allem Wörter, die mit einer friedlichen, entspannten Atmosphäre einhergehen, mit dem Besuch eines Buchgeschäftes in Verbindung gebracht.
Sofortige Verfügbarkeit und die Haptik der Bücher werden als äußerst wichtig empfunden, die zentralen Kaufanlässe sind neben überzeugenden Klappentexten Zeit zum Verweilen und ausgiebiges Stöbern. Internetrecherche spielt für die Kunden im stationären Buchhandel hingegen eine untergeordnete Rolle. Außerdem sind Größe und Qualität des Buchangebots deutlich relevanter als zusätzlich angebotene Produkte.
Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Institutes für Jugendkulturforschung, macht darauf aufmerksam, dass Buchhandlungen von unterschiedlichen Zielgruppen aus unterschiedlichen Gründen geschätzt werden.
„Die Besonderheiten kleiner Buchhandlungen mit Themenschwerpunkt und kompetenter Beratung werden etwa von Studierenden als wertvoll wahrgenommen. Große Geschäfte, die mit ihrem breiten Angebot mit Onlineriesen wie Amazon mithalten können, bieten Inspiration für Unentschlossene.“

Digitalisierung: trotz allem wichtig
Junge Leser wissen moderne, digitale Möglichkeiten aber durchaus zu schätzen. Vor allem Convenience fördernde Angebote wie Click&Collect und Quick-Checkout Kassen stehen hoch im Kurs.
Schlussendlich kommt es, wie fast immer im Leben, auf die richtige Mischung an: Traditionelle Werte des gedruckten Buches und des stationären Handels, wie Haptik, gemütliche Umgebung und persönliche Beratung bleiben weiterhin relevant. Zusätzlich können Buchhandel und -geschäfte mit der Installation von QR-Codes, dem Ausbau von Multichanneling und durchdacht aufbereiteten Onlineshops punkten. „Mein Eindruck ist, dass Buchhändler*innen im deutschsprachigen Raum auch jetzt bereits vieles richtig machen“, sagt Heinzlmaier. „Bücher und die Orte, an denen man sie erhält, sind keineswegs im Verschwinden begriffen. Auch nicht in den Augen der Digital Natives.“