Submitted: Patrick Mader April 19, 2019
Zurzeit werden die Verschmutzung der Ozeane und der Gebrauch von Kunststoffprodukten heftig diskutiert. Dazu wird die Frage gestellt, ob man Plastiktaschen verwenden darf, oder ob Papiersackerl eine gute Alternative sind. Dazu möchten wir hier eine dänische Studie und Prof. Wolfgang Bauer von der TU Graz zitieren:
Zur ökologischen Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit von Papier gegenüber Kunststoff gibt es eine Menge verschiedener, mehr oder weniger wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Leider kommen viele Lebenszyklusanalysen (LCA) zu den Tragetaschen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Deshalb habe ich eine aktuelle Studie aus Dänemark ausgewählt, die meiner Meinung nach gut gemacht ist. Sie kommt hinsichtlich der Auswirkungen auf den Klimawandel zu dem Ergebnis, dass Papier, Biopolymere und Plastik (LDPE) als gleichwertig einzustufen sind; deutlich schlechter wird jedoch ein Sack aus organischer Baumwolle bewertet. Betrachte man die weiteren laut Norm vorgegebenen LCA-Kriterien wie Eutrophierung, Wasserbedarf oder Toxizität, so wird LDPE am besten bewertet, gefolgt von Papier, anderen Kunstoffen (PP und PET) und mit Abstand wieder die organische Baumwolle, die 20.000x (!) wiederverwendet werden muss, um mit LDPE mitzuhalten.
“Papiersackerl sind umfassend betrachtet eine gute Alternative.”
Was sind nun die Gründe für diese Ergebnisse der zweifellos ordentlich durchgeführten Studie, die teils dem persönlichen Gefühl widersprechen – oder hätten Sie nicht auch den mehrfach verwendbaren Sack aus organischer Baumwolle bevorzugt.
Zur Beurteilung so einer LCA-Analyse muss man sich die Annahmen ansehen:
Materialmengen: Bei der Studie wurde davon ausgegangen, dass 12 kg Lebensmitteln nach Hause getragen werden sollen. Daraus wurde der Materialbedarf errechnet der sagt, dass 2,5x so viel für Papier und 10x so viel für Baumwolle benötigt werden. Danach wurde der Ressourcen-Bedarf nochmals verdoppelt, weil bei Papier zwar 12 kg getragen werden konnten, aber das Material durch scharfe Kanten beschädigt wurde. Und bei Baumwolle war das Volumen trotz einer Tragekraft von 50 kg zu gering. Aufgrund dieser Annahmen wurde bei Papier vom 5fachen, bei Baumwolle vom 20fachen Materialbedarf ausgegangen. Mir erscheint diese Rechnung zwar zu hoch gegriffen, aber so werden die Ergebnisse der LCA in dieser Größenordnung beeinflusst.
Materialeinsatz: Auch wurde bei Papier davon ausgegangen, dass es zu 100% aus Frischfasern besteht, was häufig nicht der Realität entspricht.
Entsorgung: Bezüglich des „end of life“ wurde angenommen, dass alle Materialien zu 100% im dänischen Abfallsammelsystem landen und so geordnet verbrannt oder deponiert werden. Es wurde also ausgeschlossen, dass nicht-abbaubares Plastik in der Umwelt landet. Tatsächlich ist aber gerade das eines der größten Probleme bei der weltweiten Verwendung von Plastik.
Kaskade: Eine weitere Annahme der Studie ist, dass die energetische Nutzung und Deponierung bei allen Materialien als „besser“ eingestuft wurde, als das Recycling. Das zweifle ich an, denn das kaskadische Nutzungsprinzip ist unbestritten sinnvoller.
Datenquellen: Ein generelles Problem vieler LCAs ist, dass hier mit fremden durchschnittlichen Daten gerechnet wird, zum Beispiel werden weltweite Durchschnittswerte für die Papierindustrie angenommen. Ich kenne diese Daten und kann dazu sagen, dass wir in Österreich in der Zellstoff- und Papierherstellung stets deutlich besser liegen.
Fokus Ökologie: Der größte Kritikpunkt an einer „klassischen“ LCA ist aber, dass nur ein Aspekt des 3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit betrachtet wird – der der Ökologie. Die ebenso bedeutenden ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekte werden dabei ausgelassen. Für uns in Österreich ist es aber auch richtig und wichtig, unseren regional vorhandenen Rohstoffen Holz umfassend zu nutzen, um Wohlstand und Soziales für alle zu schaffen.
Fazit: Was soll man also tun?
Studie hier ansehen (engl).